DE:BUG Kolumne 3, Februar 2000




SO LEBEN WIR MORGEN
von Rafael Horzon
direkt aus Genf


Rafael Horzon, 29, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe modocom (www.modocom.de) und Autor der Bücher "Modern sein – Fit im Kopf ins dritte Jahrtausend. Vol 1 + 2", schreibt exklusiv für DE:BUG über drängende Fragen an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend.




Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Kids

Ein neues Zeitalter hat begonnen, das magische Datum "mit den drei Nullen" ist Gegenwart geworden. Noch nie waren wir der Zukunft so nah! Hochgespannt sind unsere Erwartungen: Vielleicht ist das Morgen gar nicht mehr nur ein umfrisiertes Heute, sondern etwas völlig anderes. Radikale Veränderungen stehen bevor, können sich innerhalb eines kurzen Jahrzehnts vollziehen, sind wohl bis zum Jahr 2010 unausweichlich. Aber wie genau werden diese Veränderungen aussehen? Wie werden wir wann in welchen Verhältnissen leben?

In dieser neuen Kolumne "So leben wir morgen" möchte ich gemeinsam mit Ihnen einen Blick nach vorne wagen! Unbeeindruckt von Schwarzmalern, die keinen Aspekt des modernen Lebens ohne die Wortverbindung "...katastrophe" (z.B. Umwelt-, Verkehrs-, Ernährungs-, Sex- und Drogenkatastrophe) beschreiben können. Aber auch jenseits von Fantasie-Entwürfen, die uns mit plumpen utopischen Verfremdungen verblüffen wollen und uns mißtrauisch machen: Das kann doch wohl nicht die ganze Zukunft sein.
Im Zentrum dieser Kolumne steht der Mensch: Wie wird er leben, wie wird er wohnen, was wird er hören, sehen, fühlen, welchen Sex wird er haben, und vor allem: wird er glücklicher sein als wir?

BELANGLOSIGKEITEN UND KRANKHEIT ADÉ
Wir befragten Menschen der Gegenwart, ein älterer Mann gab zu Protokoll: "Ich hatte mir viel vorgenommen für mein Leben, aber es ist dann alles ganz anders gekommen. Die Zeit verging rasend schnell und brachte mir nichts als Belanglosigkeiten. Diese Zeitvergeudung mit Kleinkram und Albernheiten brachte mich manchmal fast um den Verstand!" – Belanglosigkeiten? Irgendwann werden sie aussterben. Langweilige mechanische Tätigkeiten sind schon jetzt äußerst selten, Behördengänge ersetzt schon jetzt der "Klick" via Internet, es ist sogar vorstellbar, daß wir in einigen Jahrzehnten nicht mehr Schlange stehen müssen, um uns von schlecht gekleideten Postangestellten eine Briefmarke verkaufen zu lassen. Denn Computer und Internet sind geradezu dafür geschaffen, uns von Belästigungen dieser Art zu befreien und uns mehr Zeit für Wichtiges zu lassen.
Eine andere Frau berichtete: "Ich stamme aus einer wohlhabenden Familie und hatte für mein Leben die günstigsten Startbedingungen. Doch es wurde nichts daraus: Andauernd war ich krank. Mir hat die Krankheit das Leben zerstört und mich nicht glücklich werden lassen." - Krankheiten in den besten Lebensjahren, mit denen die Medizin nicht fertig wird? Sollte es das in dreißig Jahren überhaupt noch geben? Es ist recht unwahrscheinlich.

WOHNEN UND SEX
Unsere Schränke sind zum Bersten angefüllt mit Dingen, die an unserem Leben kaum noch teilnehmen. Wir bewahren sie auf in der Vermutung, sie könnten eines Tages noch gebraucht werden. Das wird anders werden. Je mehr wir uns mit unseren ständig steigenden Einkommen kaufen können, desto weniger werden wir besitzen. Klare leere Räume erwarten uns in der Zukunft, der Müllschlucker wird - neben platzsparenden Regalen - zum wichtigsten Inventar unserer Heime: In seinem breiten Maul in der Flurwand wird alles verschwinden - bequem, schnell und auf Nimmerwiedersehen.
Und die Raumaufteilung? Wir werden innerhalb unserer Wohnung die Zahl und Größe der Räume verändern können, indem wir die Wände verschieben. Dann haben wir es nicht mehr nötig, unserem Gast im Wohnzimmer eine Schlafstelle herzurichten - und das Abend für Abend, drei Wochen lang - sondern er bekommt aus einem Teil des Wohnzimmers sein eigenes Zimmer gemacht!
Welchen Sex werden wir haben? Trotz der Sexwelle, die wir momentan erleben, dem Drang, das Intimste nach außen zu tragen, Tabus zu brechen und offen zu sein für neue Lebensformen, ist es unwahrscheinlich, daß die Menschen ihre Grundeinstellungen und Instinkte in den nächsten Jahrzehnten grundlegend ändern: Dem normalen Menschen wird es auch in Zukunft nicht egal sein, was sein Ehepartner treibt, und er wird sich nie an Kindern vergehen. Sex als Modeerscheinung also, im gezeitenartigen Wechsel von Auf und Ab, von Ebbe und Flut. Preisfrage: Wer wird die Zeichen setzen, den Ton angeben, die Sexwellen der Zukunft auslösen? Tausendstimmige Antwort: Paris natürlich! Nun, wir werden ja sehen. Rom wäre pikanter. Moskau übrigens auch.

ARBEIT UND FREIZEIT
Ein Phänomen unserer Gegenwart: Menschen arbeiten daran, menschliche Arbeit überflüssig zu machen. Werden wir in Zukunft überhaupt noch arbeiten müssen? Die Antwort lautet leider: Ja. Aber unter immer angenehmeren Umständen! Eine Richtung der Arbeitspsychologie fand beispielsweise erst kürzlich heraus: "Spielt ein unzufriedener Informatiker in seiner Freizeit am liebsten mit Hunden, dann gib seinem Arbeitsplatz äußerlich die Form eines Hundes, und er ist happy." Doch das großartigste Geschenk des technischen Fortschritts ist die Freizeit: Sie gibt dem Menschen die Möglichkeit, sich mit angenehmen Dingen zu beschäftigen, Hobbys zu "frönen", verborgene Talente ans Tageslicht zu holen. Und diese Freizeit wird immer großzügiger bemessen sein!
Langeweile und Eintönigkeit, der "graue Alltag" werden nach und nach aussterben. Werden wir also in Zukunft glücklicher sein als bisher? Auf jeden Fall werden wir öfter die Gelegenheit haben, glücklich zu sein. Und das ist doch immerhin etwas, oder anders gesagt: Es ist sogar sehr, sehr viel!




Mit freundlichen Grüßen, und bis zum nächsten Mal, Ihr



Rafael Horzon






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